BILDER-VORTRAG |
„Gründerzeitliche Ziegelarchitektur im Ruhrgebiet – Zechen und Kirchen“ |
Datum: Mittwoch, 09.10.2019, 19.00 Uhr |
Ort: „stadt.bau.raum“, Schacht Oberschuir, Boniverstraße 30, 45883 Gelsenkirchen |
|
Anreise mit Bus und Bahn: Straßenbahn 107 bis Feldmarkstraße Bus 388 bis Feldmarkstraße Bus 382 bis Feldmarkstraße oder Boniverstraße
Elektronische Fahrplanauskunft: https://efa.vrr.de/ |
Referent: Dr. Thomas Parent |
|
Alle interessierte Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen. Anmeldung nicht erforderlich. Teilnahme kostenlos. |
Das Ruhrgebiet ist eine Ziegellandschaft |
Das Ruhrgebiet ist eine Ziegellandschaft. Seit Beginn des Industriezeitalters wurden hier Zechengebäude und Arbeitersiedlungen, aber auch zahlreiche Kirchen, Schulen und Rathäuser aus Ziegelsteinen errichtet.
Die meisten Architekten bevorzugten zwar den teuren Naturstein gegenüber dem „banalen“ Ziegel. Trotzdem fällt im Ruhrgebiet immer wieder auf, wie abwechslungsreich und kunstvoll man auch mit Ziegelsteinen aufwändige Architektur gestalten kann. Bei der Dortmunder Liebfrauenkirche besteht selbst der neugotische Turmhelm aus unterschiedlich farbigen Ziegelsteinen. |
|
Bild vergrößern. Turmhelm der Liebfrauenkirche in Dortmund zeigt den dekorativen Wert von Ziegeln unterschiedlicher Farben. . [Foto: Thomas Parent] |
Zechen- und Sakralbauten in all ihrer Vielfalt |
In dem Bilder-Vortrag des Historikers Dr. Thomas Parent werden charakteristische Zechen- und Sakralbauten in all ihrer Vielfalt vorgestellt: Mosaikflächen aus unterschiedlich farbigen Ziegeln, Friese und Gesims aus dunkelroten oder sogar grünen Klinkern, Kontrast-Akzente zwischen Ziegeln, Naturstein, Holzfachwerk und Putzflächen. Neben vielen architektonischen Highlights aus dem gesamten Ruhrgebiet liefert der Vortrag auch Beispiele aus Gelsenkirchen. |
Gotteshäuser aus „Zechenziegeln“ |
Vor allem seit der Industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts wurden hier Zechengebäude und Arbeitersiedlungen ausschließlich aus Backsteinen aufgemauert. Die Bergwerksgesellschaften betrieben eigene Zechenziegeleien, wo Schieferton von untertage zu Ziegeln geformt und verbrannt wurde. Das hat auch ästhetische Vorteile: Im Gegensatz zu hellen Putzfassaden sind Ziegelwände ziemlich robust gegen Industrie-Abgase und „sauren Regen“. Im Laufe der Zeit dunkeln sie zwar nach, wirken aber nicht so schnell unansehnlich wie helle Putzflächen.
Die Konzerne bauten Kolonien und Gartenstädte, spendeten solche „Zechenziegel“ aber auch den benachbarten Kirchengemeinden, so dass die meisten neugotischen Gotteshäuser des Ruhrreviers ebenfalls aus Backsteinmauerwerk mit ziegelgemauerten Spitzhelmen, Malakofftürmen und oktogonalen Ecktürmchen bestehen. |
Die heile Welt der „Fabrikschlössern“ |
Bei einem Malakoffturm (od. Malakowturm) handelt es sich um den Vorgänger des allgemein bekannten Fördergerüsts aus Stahl. Den Namen erhielten solche gemauerten Fördertürme in Erinnerung an ein Fort auf der Festung Sewastopol, das 1855 im Krimkrieg spektakulär erstürmt worden war. |
|
Bild vergrößern. Die Schachtanlage Holland I/II in GE-Ückendorf hat zwei Malakowtürme (erbaut 1856–1860). [Foto: Christoph Oboth] |
Malakofftürme erinnern an Burgen am Mittelrhein, bei den repräsentativen „Fabrikschlössern“ der Musterzechen denken wir an Ordensritterburgen in West- und Ostpreußen.
Im Industriezeitalter wurde das Mittelalter als vermeintlich „heile Welt“ romantisch verklärt. Durch pseudo-mittelalterliche Bauwerke wollten Unternehmer diese heile Welt heraufbeschwören, um dadurch aktuelle Konflikte zu entschärfen. Die Bergleute sollten in eine „erhabene“ Stimmung versetzt und dadurch von Lohnforderungen abgelenkt werden. |
|
Bild vergrößern. Zeche Zollern II/IV in DO- Bövinghausen, errichtet 1898-1904 als Musterzeche der Gelsenkirchener Bergwerks-AG (GBAG), erinnert an die Ritterburgen in Ostpreußen. [Foto: Philip Ralph] |
Der Referent Dr. Thomas Parent |
Der Referent Dr. Thomas Parent ist Historiker und war dreißig Jahre lang stellvertretender Direktor des LWL-Industriemuseums. Auch im Ruhestand engagiert er sich weiterhin für die Industrie- und Kulturgeschichte des Ruhrgebiets. Er ist u.a. Autor des DuMONT-Kunstreiseführers „Das Ruhrgebiet. Vom »goldenen« Mittelalter zur Industriekultur“. |