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Drei Männer und ein Baum
Ein Geschenk Bismarcks an Emil Kirdorf,
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Der große Staatsmann Otto Graf von Bismarck, Ministerpräsident Preußens, gilt als Gründer des deutschen Kaiserreiches und Vollender der deutschen Einigung. 1871 wurde er erster Reichskanzler des Deutschen Reiches und zum Fürsten ernannt.
In Anerkennung seiner Verdienste um die Reichsgründung schenkte ihm Kaiser Wilhelm I. am 24. Juni 1871 den Sachsenwald. Dieser Rest eines riesigen Urwaldes besteht noch heute zu 94 Prozent aus Wald, vorwiegend aus Eichen und Buchen, und befindet sich noch überwiegend im Besitz der Nachfahren von Bismarck.
Der „Eiserner Kanzler“ bestimmte über Jahre die Innen- und Außenpolitik des neu geschaffenen Reiches und gilt als Begründer des modernen Sozialstaates.
Der Bergbaumagnat Emil Kirdorf (1847-1938) war einer der ersten bedeutenden angestellten Ruhrindustriellen, die ausschließlich Manager waren und nicht, wie etwa Thyssen oder Stinnes, selbst Eigentümer ihrer Konzerne.
Nach einer kaufmännischen Lehre im Familienunternehmen wechselte er später in den Bergbau, zunächst als Buchhalter bei der Grubenverwaltung der Zeche Holland und ab 1871 als Direktor. Der Unternehmer Friedrich Grillo wurde auf Kirdorf aufmerksam und bot ihm 1873 die Stellung als kaufmännischer Direktor bei der soeben gegründeten Gelsenkirchener Bergwerks AG (GBAG). Während mehr als ein halbes Jahrhundert in leitender Stellung der GBAG erntete er den spöttischen Titel eines „Schlotbarons“.
Von 1893 bis 1926 war Kirdorf Generaldirektor der GBAG, damals das größte deutsche Bergbauunternehmen, mit Sitz auf der Zeche Rheinelbe in Ückendorf. Er war entscheidend am Aufbau der GBAG beteiligt und lenkte das Unternehmen durch diversen Fusionen und Übernahmen zum größten Kohlebergbauunternehmen Europas.
Durch den Erwerb zahlreicher Firmen unter Kirdorfs Leitung expandierte die GBAG auch in andere Branchen, von Eisen- und Stahlproduktion über Kohlenhandel bis hin zur Schiffahrt. Aus dem lokalen Zechenbetrieb von einst war ein großes Mischkonzern geworden – ein Imperium von Unternehmen im In- und Ausland.
Somit erntete Kirdorf den Ruf als „Bismarck des Ruhrbergbaus“.
1917 wurde Kirdorf mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Gelsenkirchen gewürdigt.
Am 65. Jahrestag seiner Eintragung als Vorstandsmitglied, wurde Kirdorf 1938 Ehrenprasident des Aufsichtsrats der GBAG und der Vereinigten Stahlwerken A.G.
Auch in der Weimarer und NS-Zeit war Kirdorf einer der mächtigsten Manager der Großindustrie Deutschlands und genoss großen politischen Einfluss. Er war Mitbegründer der Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte, die das Kapital für das Presseimperium des Montan- und Rüstungsunternehmers Alfred Hugenberg bereitstellte. Das Konzern kontrollierte die Hälfte der deutschen Presse und trug mit nationalistischer und antidemokratischer Propaganda maßgeblich zur Zerstörung der Weimarer Republik bei.
Kirdorf war als Reaktionär für seine autoritären Ansichten zeitlebens bekannt. Er bekämpfte die Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften und den demokratischen Staat.
Ab 1927 war Kirdorf aktiver Förderer des Aufstiegs Adolf Hitlers, den er persönlich auch mehrfach finanziell unterstützt hatte. Er förderte Hitlers Verbindungen zur Industrie und bemühte sich, für Hitler auf diese Weise neue Geldquellen zu erschließen.
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Wie arm sind wir damals gewesen. Führer erzählt, wie er sich einmal erschießen wollte,
weil ihm die Wechselschulden über den Kopf wuchsen. Da hat ihm Kirdorf mit 100.000 Mark geholfen.
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Joseph Goebbels Tagebuch, 15.11.1936
Auf solche Weise hat Kirdorf Hitlers Machtergreifung unterstützt und die menschenverachtende NS-Diktatur begünstigt.
Hitler umschmeichelte Kirdorf als „nationale Legende“. Dessen Geburtstage ließ er mit Fackelzügen feiern. Kirdorf war Ehrengast beim Reichsparteitag 1929 in Nürnberg und Träger des Goldenen Parteiabzeichens.
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Der Führer ist sehr lieb zu Kirdorf. Er verdankt ihm aus der Kampfzeit die Rettung seiner Partei und seiner Person.
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Joseph Goebbels Tagebuch, 10.04.1936
Zu seinem 90. Geburtstag verlieh Hitler den Adlerschild an Kirdorf, die höchste zivile Auszeichnung des nationalsozialistischen Deutschen Reiches. Zu diesem Anlass erstattete Hitler unter großem öffentlichen Aufsehen einen Besuch auf Kirdorfs Privatsitz, begleitet von einem großen Fackelzug. Es sollte Hitlers letzter Besuch bei seinem Freund und Förderer werden, denn Kirdorf starb im Folgejahr.
Mehrfach hatte Hitler Kirdorf zuhause besucht, allerdings nicht in seiner Villa auf dem Rheinelbegelände, denn Kirdorf wohnte schon lange nicht mehr dort. Für seinen Alterssitz hatte er 1905-7 auf einem neuen Anwesen in Mülheim an der Ruhr ein stattliches Landhaus – den „Streithof“ – erbaut.
Führertreffen im Ruhrgebiet: Der nationalistische Medienzar Alfred Hugenberg, einer der einflussreichsten Wegbereiter der Nazis, nach der „Machtergreifung“ jedoch vom Machtapparat zunehmend ausgegrenzt, bleibt Zuschauer als sein alter Freund und Förderer, der Wirtschaftsführer Emil Kirdorf, seinen neunzigsten Geburtstag feiert. Adolf Hitler, der „Führer“ und Reichskanzler, hatte sich nicht nehmen lassen, dem alten Patrioten der Kaiserzeit persönlich zu gratulieren.
In seiner Dankesrede spricht Kirdorf von der „fruchtbringende Kraft der Volksgemeinschaft“, wo Unternehmer und Arbeiter sich zum „gemeinsamen Schaffen […] gefunden haben“. Nachdem alle oppositionellen Stimmen in Staat und Gesellschaft durch „Gleichschaltung“[1] ausgeschaltet wurden, schien der Hunger nach der „Harmonie der Klassen“ gestillt. Schwerindustrielle haben Hitlers Aufstieg mitfinanziert – nicht zuletzt dies’ Geburtstagskind.
[1] Gleichschaltung war die „verharmlosende Umschreibung für die faktische Unterwerfung aller Organe und relevanten Gruppen unter die NS-Herrschaft“.
So definierte der Historiker Imanuel Geiss den Prozess wobei
Gewerkschaften, politische Parteien, Kirchen, Sportgruppen, Vereine allerart unterworfen oder unterdruckt wurden.
Unbeugsame Andersdenkende wurden vielfach verhaftet, gefoltert, ermordet.
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Meine größte Freude aber, beim Rückblick auf 64 Jahre Kampf um den Ruhrbergbau, ist mir das Erlebnis, dass am Ende dieser Jahre Unternehmer und Arbeiter
sich zum gemeinsamen Schaffen, am gemeinsamen Weg gefunden haben. Mein Vermächtnis soll dereinst die Mahnung sein: Nie wieder dem deutschen Volk
die fruchtbringende Kraft der Volksgemeinschaft preiszugeben. Danke unserem Führer, der uns das geschaffen hat!
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Emil Kirdorf an seinem 90. Geburtstag,
Mülheim a.d. Ruhr, 8. April 1937
Hilter grüßt höchstpersönlich den NS-„Wirtschaftsführer“ Emil Kirdorf an seinem 90. Geburtstag,
Ausschnitt (1min 48s) aus dem Dokumentarfilm
„Der vergessene Führer. Aufstieg und Fall des Medienzaren Alfred Hugenberg“
Filmkraft Peter Heller, München, 1982
[YouTube / Landeszentrale für politische Bildung NRW]
Falls notwendig, schieben Sie bitte den Videoabspielregler auf die Zeit 2:08:46. Der Abschnitt endet bei 2:10:33.
Nach Kirdorfs Tod am 13. Juli 1938 ließ ihn Hitler mit einem Staatsbegräbnis beisetzen. Auf dem Gelände der Zeche Rheinelbe fanden überdimensionierten Trauerfeierlichkeiten statt, an denen Hitler persönlich teil nahm, um seinem Freund und Förderer die letzte Ehre zu erweisen. Es ist bezeichnend für Kirdorfs große Bedeutung für Hitler, dass dies das einzige Mal war, dass Hitler Gelsenkirchen jemals besuchte.
Schlagzeile der NSDAP-Zeitung „Völkischer Beobachter“
[Nr. 198 v. 17.7.1938]
„Der Führer an der Bahre Emil Kirdorfs“: Diese Schlagzeile zeigt wie medienwirksam die Trauerfeier um den „ersten nationalsozialistischen Wirtschaftsführer“ inszeniert wurde. Hitlers persönliche Abschiedsnahme von seinem Freund und wichtigsten Förderer wurde propagandistisch ausgeschöpft.
Ein großer Trauermarsch zog durch die Gelsekirchener Innenstadt und Neustadt und entlang der mit sechzig Siegessäulen pompös ausgeschmückten Rheinelbestraße bis zur Zeche, wo der Sarg im Festsaal aufgebahrt wurde.
![]() Trauermarsch in der Behnhofstraße |
![]() Ehrenwacht der Bergknappen |
![]() Siegessäulen mit NS-Insignien |
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Der Rheinelbepark entstand aus dem privaten Garten von Emil Kirdorf, einem großen Grundstück mit Garten und Wald um seine Villa, die heute nicht mehr existiert.
Kirdorfs Villa auf Rheinelbe |
Rheinelbegelände 1903 |
Von hohen Mauern umsäumt, war der Park den leitenden Angestellten der Zeche Rheinelbe vorbehalten. Für sie wurden im vorderen Teil des Parks nahe der Leithestraße sechs schmücke Wohnhäuser um eine gemeinsame Grünflache locker gruppiert. Der „Garten“ war so groß, dass die privilegierten Nutzer darin der Jagd nachgehen konnten.
Erst 1959 wurde der Park durch die Stadt Gelsenkirchen erworben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Park zeichnet sich durch seinen sehr alten Baumbestand aus; zu finden sind beispielsweise ca. 180 Jahre alte Buchen.
1896 schenkte Graf Otto von Bismarck eine Sachsenwaldeiche an Emil Kirdorf. Sie wurde an Bismarcks Geburtstag, dem 1. April, im Garten von Kirdorfs Villa auf dem Rheinelbegelände gepflanzt. Vor ihr wurde ein 2 m hoher Gedenkstein mit gusseiserner Reliefaufschrift errichtet.
Im gleichen Jahr war Kirdorf Vorsitzender vom neu gegründeten Bismarck-Verein des Kreises Gelsenkirchen. Somit beruhte auch der Bau des Bismarckturms auf dem nahegelegenen Mechtenberg auf Kirdorfs Initiative.
Der Baum wurde ca. 12 m hoch und verfügte über einen Stammumfang von 180 cm. Nach schweren Schäden durch Sturm Ela im Jahr 2014 wurde er bis auf den Stumpf gefällt und 2015 von der Denkmalliste der Stadt gestrichen. Lediglich der Baumstumpf und der Gedenkstein stehen noch an dieser Stelle.
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